Auseinandersetzung mit Gewaltverhältnissen und Erinnerungsarbeit Nicht bearbeitetes Unrecht sowie psychische, physische und strukturelle Gewalt führen zu politischer Apathie und einer „Kultur des Schweigens“, so Paulo Freire. Für unsere pädagogische Arbeit ist es fundamental, uns mit der eigenen Biographie auseinanderzusetzen, individuelles Leid und Ungerechtigkeiten auszusprechen und nach Wegen zu suchen, diese Ungerechtigkeiten gesellschaftlich einzuordnen und zu überwinden. Auf individueller Ebene ermöglicht uns die Beschäftigung mit der eigenen Biographie ein Verständnis dafür, wie wir selbst zu dem geworden sind, was uns heute ausmacht und was uns besonders geprägt hat. In diesem Prozess können Ressourcen und Stärken ausfindig gemacht werden und ein persönlicher Zugang zum jeweils bearbeiteten Thema geschaffen werden. Auf gesellschaftlicher Ebene trägt die Auseinandersetzung mit historischen Erfahrungen dazu bei, gesellschaftliche Konflikte, Ungerechtigkeiten und Gewaltverhältnisse der Gegenwart zu verstehen und Ansatzpunkte für Veränderungen zu entwickeln. In unserer Arbeit fördern wir einen Dialog zwischen verschiedenen Erfahrungen von gesellschaftlichem Erinnern. Die Auseinandersetzung mit der deutschen Erinnerungskultur, mit ihren Herausforderungen und „blinden Flecken“, bietet einen wichtigen Ansatzpunkt.
Durch Erinnerungsarbeit neue Verbindungen schaffen Für uns dreht sich erinnerungspädagogische Arbeit nicht allein um das „Nie Wieder“. Vielmehr geht es uns auch darum, vergangene Erfahrungen von Krieg, Gewalt oder Ausgrenzung in ihrem jeweiligen Kontext zu verstehen und einzuordnen. Dazu gehört, Kontinuitäten gewaltsamer Strukturen in Vergangenheit und Gegenwart zu erkennen und einen kritischen Blick auf unsere heutige Gesellschaft zu richten – seien dies beispielsweise patriarchale Traditionen, deren Spuren noch heute unser Zusammenleben prägen, seien es die Verbindungen von kolonialer Vergangenheit und rassistischen Praxen unserer Gegenwart oder ganz andere Zusammenhänge, die wir erst noch entdecken. Nicht zuletzt geht es uns in der Erinnerungspädagogik auch darum, Platz für das Erinnern an widerständige Praxen, alternative Visionen und kollektive Bemühungen um gesellschaftliche Veränderung zu schaffen und diese Erfahrungen sichtbar zu machen. Denn die Beschäftigung mit alternativen Erinnerungen, mit dem, was in der offiziellen Geschichtserzählung oft ausgeblendet bleibt, kann Handlungspotentiale für neue Veränderungspraxen eröffnen.